Die Au
Das Etschtal war noch bis ins 19. Jahrhundert
eine ausgedehnte Au Landschaft, in welcher einzelne Höfe mit ihren Äckern, Weingärten
und Wiesen wie Inseln lagen.
Die letzten großen Erlen Wälder beim Leibelehof sind
erst in den Sechziger Jahren unseres Jahrhunderts gerodet und zu Obst wiesen angelegt worden.
Im Bereich zwischen dem Aspmayr, der Eisen Bahnlinie, der Bahnhofstraße,
dem Landgraben bis St. Jakob oder Unterau hinauf erstreckte sich die größte Au.
Auf dieser Au standen keine Höfe, nur an ihrem Rande finden wir im Uhrzeigersinn folgende
alten Höfe: den Hof Manna in der Au, Renner, Steinmann, die Tal seitigen Höfe des
Dorfes, vom Kalten Keller bis zum Thurnhauser, den schon seit langem abgekommenen Teisl, später
Steidl, den Aspmayr, den 1506 erbauten Weißhaushof. In der dazwischen liegenden Au war
wegen seiner tiefen und sumpfigen Lage nie eine Hof stelle gegründet worden. Der tiefste
Punkt dieser Au liegt gegen den Nesselbrunngraben hin, also eher am Rande des Etsch Tales.
Die Entstehung dieser Gelände Verhältnisse wird im Abschnitt über die Geologie
genauer untersucht.
Diese Au gehörte im Mittelalter der Grund Herrschaft der
Liechtensteiner, wohl als Lehenträger des Bischofs von Trient. Die Grafen von Liechtenstein
haben im 15. Jh. diese Au gegen einen Grundzins von jährlich zwei Sack Salz der Stadt
Bozen und der Gemeinde Leifers hin gelassen.
Nördlich schließt sich an die Au der Grutzen an, über
welchen im Mittelalter der Landesfürst Grund Herr ist. Er hat den Teil südlich des
Virgl denen von Niederthor zu Lehen gegeben. Diese Güter, Wiesen, Äcker und Weingärten
sind durch die verheerende Eisack Überschwemmung von 1528 verwüstet worden.
Diese Möser wurden als Weide, Mahdwiesen, und zwar vor allem
für die Strebmahd, sowie für den Holz Bezug genutzt. Bei der Errichtung des
Weißhaushofes 1506 durch den Grafen Paul von Liechtenstein ließ dieser die Hälfte
des Grundzinses nach, so daß fortan nur mehr ein Sack Salz zu geben war. Dieses Entgegenkommen
ist darin begründet, daß die Gemainnutzungsrechte erheblicher eingeschränkt
wurden, und zwar um 20 Tagmahd, das sind fast sechs Hektar.
Die gemeinschaftliche Nutzung der großen Au gab aber immer
wieder zu allerlei Zwistigkeiten Anlaß. Vor allem waren die Weiderechte auf der einen
und jene des Blumenbesuchs, das sind Mahdrechte, auf der anderen Seite kaum zu vereinbarende,
teils widerstrebende Interessen. Und nicht zuletzt zählte das Recht des Holz Bezuges aus
den Wäldern der Au, welches den Einwohnern von Leifers zustand.
Die Weiderechte
Die Stadt war mehr am Weide recht denn an der Mahd interessiert.
So trieb sie jährlich ihr Vieh in die Au, Rinder und zahlreiche Pferde. Im 18. Jahrhundert
waren es noch bis zu 30 Pferde', in früheren Jahrhunderten mögen es wohl noch viel
mehr gewesen sein. Dieser Umstand und die um 1237 gebrauchte Bezeichnung in campopoledro
de sancti Jacobi de cinte läßt die Unterau wirklich als Roßlauf erkennen.
Die ausgedehnten Auen des Etsch Tales waren schon im Mittelalter
als Weiden von den angrenzenden Berg Gemeinden begehrt. Die Schnalser, Passeirer, Ultner, Sarner,
Nonsberger, Fleimser, Fassaner hatten sogenannte Schneefluchtrechte, das heißt, das Recht,
im zeitigen Frühjahr, wenn auf den Bergen noch Schnee liegt, die Herden auf die Weiden
ins Etschtal aufzutreiben. Es waren dies vor allem Schafherden. Diese Rechte finden wir auch
in Welschtirol. Im angrenzenden Pfatten hatten die Gemeinden Fondo und Malosco am Nonsberg,
sowie die Gemeinde von Fleims ihre Weiderechte, und zwar von Mitte März bis Georgi (23.
April).
Die Rechte derer von Fondo wurden von der Gemeinde Pfatten schon
1740 abgelöst. Bis Branzoll herauf reichten die Rechte derer von Fleims, in Leifers hatten
die von Fassa (Evas) ihre Rechte, die Schafherden aufzutreiben.
Laut Ratsprotokoll vom Jahre 1781 hatte die Gemeinde Leifers dieses
Recht damals bereits abgelöst. Dies geschah entweder durch eine einmalige Zahlung oder
durch eine auf den Höfen aufgeteilte jährliche Last.
Neben diesen Weide rechten der Stadt und der Fassaner lastete
auf dem Moos noch das Recht der Zwölfmalgreien, ab Lorenzi (St. Lorenz am 10. August)
Streu (Streb) zu mähen und zu beziehen.
Daneben lag die Bedeutung der Au darin, daß die zahlreichen
Höfe in Leifers und Unterau, welche die Rottfuhrgerechtigkeit innehatten, ihr Zugvieh
(Ochsen und Pferde) in den Au Wiesen weiden lassen konnten. Die sog. Weidenei Bezüge
auf dem Gemeinds und Leiferer Moose wegen aufgetilebener Pferde brachte dem Stadtrat nicht
unbedeutende Einnahmen, so für 1723-1725 ganze 492 fl. 58 x.5
Die Urbarmachung und Aufteilung der Au
Wohl eine der ersten programmatischen Ansätze für
die Urbarmachung der Auen finden wir in der Landes Ordnung Michael Gaismairs um 1526, in welcher
er fordert, die Auen von Meran bis Trient auszutrocknen, um bessere Weiden zu erhalten, was
für die Fleisch Versorgung des Landes von Vorteil wäre. Außerdem wurden dadurch
Flächen für den Getreide Anbau und den Weinbau verfügbar.Daraus würde auch
folgern, daß die bösenDämpfe von den Mösern vergingen und vieleKrankheiten
aufhören würden.
1550 hat die Regierung in Innsbruck der Stadt Bozen die Urbarmachung
der Leiferer Au nahegelegt: Auch hier wurde auf die Äcker, Weingärten und Wiesen,
welche man aus der Au gewinnen konnte, hingewiesen. Außerdem soll sich in den Au Wäldern
längs der Landesstraße viel Licht scheues Gesindel aufgehalten haben.
Allein der Stadtrat war nicht zu überzeugen, die Au zu roden;
nur das Gestrüpp längs der Straße auszureißen war man bereit.
Ein weiterer Anlauf zur Trockenlegung der Auen wurde auf dem Landtage
in Innsbruck 1619 unternommen. Die Bitte der Land Stände lautete: Die Möser, so
faul und ungesund sind,sollen ausgetrocknet werden, weshalben man andie Landbauptmannschaft
einen Vorschlag undtaugliche Penonen an Handen gebensoll. Vorerst geschah aber noch wenig.
Doch war es erst der aufgeklärte Staat unter Kaiserin Maria
Theresia, welcher die Trockenlegung und Kultivierung der Auen ins Regierungsprogramm aufnahm.
Als erstes schritt man an die Aufteilung der Au zwischen der Gemeinde Leifers und dem Stadtrat.
Dies geschah unter der Vermittlung von Josef Joachim Tschiderer um 1780. Demnach sollte die
Au südlich des Wurzerweges zu Leifers, jene nördlich dem Stadtrat gehören.
Auf
dem Teil der Au, welcher dem Stadtrat zugeschlagen worden war, bestand nun seit einem zwischen
den dortigen Höfen und der Gemeinde Zwölfmalgreien im Jahre 1777 abgeschlossenen
Vergleich ein ausschließliches Weide recht der genannten Höfe in der Au.1782 wurde
den genannten neun Höfen je ein Teil dieser großen Stadt au abgesteckt, welche diese
Flächen mit einem Zaun umfangen und für ihre Vieh weide nutzen konnten. Die Höfe
mußten aber auch 20 bis 30 Pferde der Stadt auf ihre Weide nehmen und durch ihren Hüter
von Georgi (23. April) bis St. Veit (15. Juni) versorgen lassen. Dieser Teil lag zwischen dem
Pfarr- und alten Lewaldhof links der Straße und südlich davon bis zum Wurzer und
Weißhaus rechts der Straße.
Der verbleibende Teil der Stadt au, wohl südlich des Manähofes
links der Straße, sollte zum Nutzen des Ratssäckels zur Urbarmachung undStreumahd
oder in anderweg nützlich angewendet werden.' 1838-1843 kam es dann endlich zur Rodung
der Stadt au. Es wurden vorwiegend Türkäcker angelegt. Große Flächen südlich
des heutigen Flughafens wurden damals als Entschädigung für Verzicht Leistung auf
das Weide recht an Private überlassen. Ähnlich waren die Verhältnisse sich überschneidender
Rechte auf der Leiferer Au. 1586 wurde das Recht der Zwölfmalgreiner auf die Streumahd
von Lorenzi auf den Montag nach Barthlmä (= 24. August) zurückgedrängt.
Nach einem Vergleich de anno 1777 zwischen fünfzehn Höfen
in Leifers und der dortigen Gemeinde erhielten 26 Höfe die Nutzungsrechte auf 15 Teilernder
Au, mit Ausnahme der Gemeindehutweide, also der Vieh Weiderechte der Gemeinde. Dieses Recht
reichte bis zum 15. Juni. Nach diesem Datum war das Recht aller Gemeinde Einwohner eingeschränkt
zugunsten der genannten 26 Höfe. Diese hatten in erster Linie das Recht des Blumenbesuches,
d. h. das Mahdrecht.
Diese Interessen der Allgemeinheit kollidierten leicht mit jenen
der 26 Hof Besitzer. Um diesen Interessenkonflikt zu lösen, schlossen die beiden Seiten
1837 einen Vergleich, gemäß welchem die Hof Besitzer einen Anteil der 97 Tagmahd
und 100 Klafter großen Au (ca. 17,5 ha) zu vollem Eigentum erhalten sollten. Um die Höhe
des der jeweiligen Partei zustehenden Teils entspann sich ein langer, interessanter Disput.
Die Hofs Besitzer argumentierten: In Leifers gab es, wie im übrigen südlichen Tirol,
zwei »Gattungen« von Gemeinde gründen;
a) solche, welche nicht der ganzen Gemeinde, sondern einzelnen
Interessenten gehören. Das sind die verteilten und den Höfen einverleibten Gründe,
welche im Eigentum der sog. vicini, d. h. der alten Gemeinde Interessenten sind;
b) der unverteilte Gemeindegrund, welcher den vicini und
den non vicini gehört.
Das italienische Präfecturgesetz vom 13. April 1812, Zahl
6696, welches sich auf das bayrische Gesetz vom 5. April 1807 (Amtsblatt für Südtirol
Nr. 66 von 1807) stützt, hebt den Unterschied zwischen den vicini und den non
vicini auf, so daß die den einzelnen Höfen zugeteilten Gemeindegüterportionen
als Privateigentum der Hof Besitzer zu betrachten sind. So, argumentierten die Interessenten,
könnten sie eigentlich Anspruch auf die ganzen 97 Tagmahd als ihr Eigentum erheben. Sie
wollten sich aber auf einen Kompromiß einlassen. Da das Mahd recht 3/4 des Wertes der
Möser ausmachte, wollten sie sich mit demselben Anteil der Au begnügen.
Die Gemeinde hingegen behauptete, das Weide recht in der Au würde
weit mehr als 1/4 des Wertes der Au ausmachen. So trafen sie sich schließlich in der
Mitte: Die Interessenten sollten 3/5 der Fläche zu ihrem Eigentum erhalten, das sind 58
Tm und 140 Kl, der übrige Teil, nämlich 36 Tm und 360 KI, sollte der Gemeinde für
die Hutweide verbleiben. Die den Interessenten zugesprochenen Möser liegen beim Nesselbrunngraben
und gegen das Dorf hin. Die Interessenten wollten sie trockenlegen und innerhalb von fünf
Jahren zur Kultur bringen; es wurden vor allem Maulbeerbäume gepflanzt. Die Trockenlegung
dieser Möser, aus denen bisher im Sommer ungesunde Dämpfe entwichen, die das Dorf
jedes Jahr mit Fiebern heimsuchte, sollte auch dem Dorf zum Vorteil gereichen. Die Form der
gemeinsamen Nutzung einer Au durch bestimmte Höfe finden wir auch sonst im Gemeindegebiet
von Leifers. So nutzten der Thaler-, der Weißhaus- und der Aspmayrhof gemeinsam eine
Au; desgleichen nutzten der Hirschen-, Thaler-, Kölbl- und Mangenhof (Leibele) eine gemeinsame
Au gegen die Etsch hin.
Neben dieser Au, die insgesamt 97 Tm groß war, gehörte
der Gemeinde Leifers noch eine Au von 221'/2Tm (ca. 40 ha), auf welcher keine besonderen Rechte
bestimmter Höfe lasteten; diese Au wurde schon um 1835 stückweise verpachtet. Der
Gemeinde gehörte auch das sogenannte Jakobermoos (Gp. 346-363). Diese Möser
waren damals beinahe ausschließlich als Türkäcker kultiviert, obgleich in Pachtverträgen
ausdrücklich auch auf die Pflicht hingewiesen wurde, »die Möser ganz mit Maulbeerbäumen
zu bepflanzen«.
Über die ungesunde Luft über den Leiferer Mösern
wird uns mehrmals berichtet. So spricht schon Felix Faber um 1484 vom Fieber wegen der stinkenden
Sümpfe südlich von,Bozen."
Sehr klar drückt sich diesbezüglich schon Marx Sittich
von Wolkenstein in seiner Landesbeschreibung (S. 247) aus, wenn er zum Klima in Bozen sagt,
daß bisweilen der mitagwint undabentwint von der mos herauf und ... vonPozner
gemain mos faule wind gibt. Berg Meister, Stadtphysikus in Bozen, erkannte diese Krankheit
als Wechselfieber. Er schreibt:"
»Die Wechselfieber gehören zu den endemischen Krankheiten
dieses Bezirks, sind aber seit der, bis auf einige kleine Strecken zu Leifers, gänzlichen
Entsumpfung und Trockenlegung der in jenem Gemeinde Bezirke und in Gries früher bestandenen
Moor gründe und Sümpfe und dem Bestehen der Abzugs Kanäle, sowie der Wasserbau
vereine bereits ganz verschwunden und größtenteils nur auf einige wenige zwischen
dem Eisack und der Etsch niedrig gelegene Wirthschaften zu Gries und auf Leifers, wo solche
ehedem einheimisch waren, und bloß mehr sporadisch vorkommen, beschränkt.«
Berg Meister faßt 1854 den wohltuenden Effekt der Kultivierung
der Möser wie folgt zusammen:" Noch vor wenigen Jahren war die Gemeinde Leifers rücksichtlich
ihrer Produktionsfähigkeit, Erwerbs Verhältnisse, Industrie und ihrer wegen Morästen
und Mösern ungesunden Lage, und wegen ihrer geringen Bevölkerung weit hinter den
übrigen Gemeinden des Magistratsbezirkes Bozen. Durch den klug ausgedachten, und ins Werk
gesetzten Plan der Kultivierung der Gemeinde-Möser, und öden Gründe zu erträglichen
Türkäckern und durch die glückliche Gewinn reiche Verpachtung derselben gerieth
diese Gemeinde in einen solchen günstigen finanziellen Aufschwung, daß sie gegenwärtig
zu den wohlstehendsten Gemeinden gezählt werden kann. Was die Hauptsache ist, durch die
Kultivierung der Möser und Sümpfe wurde die verpestete Luft, und mit ihr die schädlichen
Fieberkrankheiten und die siechen Menschengestalten entfernt und das Einkommen der Bewohner
in hohem Grade gehoben."
Verfasst von Georg Tengler und veröffentlicht im Buche "Leifers-vom Dorf bis zur Stadt" im Jahre 1998© by Raiffeisenkasse Leifers