Das Gnadenbild von

Weißenstein in Leifers

Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts ist Weißenstein bei Petersberg als Marienwallfahrtsort bekannt. Die eingehendste Behandlung dieses Wallfahrtsortes stammt aus der Feder des allzufrüh verstorbenen Peter Stürz aus Aldein.
Die Überlieferung erzählt Folgendes: Den frommen Bauern Leonhard soll eine schwere Krankheit befallen haben. Eines Tages fiel er in eine tiefe Schlucht, wo ihm die Muttergottes erschien und ihm Hilfe versprach, wenn er ihr zur Ehre eine Kapelle errichten würde. Maria sagte -zu ihm: Damit du an meinem Versprechen nicht zweifelst, wirst du noch weitere neun Tage ohne Speis und Trank hier unten liegen bleiben. Am neunten Tage werden dich dann deine Familienangehörigen hier finden. Aber vergiß meine Worte nicht.
Obwohl es geschah, wie Maria ihm verkündet hatte, vergaß er doch sein Versprechen, und es befiel ihn wieder seine alte Krankheit. Von nun an sah man an dem Ort ein Licht brennen, und niemand konnte sich dies erklären. Leonhard aber erinnerte sich an sein Versprechen, ging sogleich an die Arbeit und wurde geheilt.
Beim Graben fand er eine kleine Statue, die eine Schmerzensmutter darstellte. Er baute sodann die Kapelle und stellte die Statue dort auf.
Allmählich wurde Maria Weißenstein ein vielbesuchter Wallfahrtsort.
Leonhard von Weißenstein wurde etwa um 1500 geboren und ist 1571 gestorben. Sein Grab befindet sich bei der Kirche von Petersberg, wo links vom Haupteingang zur Kirche noch sein Grabkreuz mit folgender Inschrift steht: "Hierliegt der fromme Bauersmann Leonhard von Weißenstein, dem die seligste Jungfrau zum öfteren erschienen und ihm die Ausgrabung des Mirakelbildes von Weißenstein aufgetragen, †1571."
Sein Vater, ebenfalls Leonhard, war Baumann des der Kirche in Leifers gehörigen Hofes in der Hulbn in Petersberg. Näheres dazu im Abschnitt über die Grundherrschaft der Liechtensteiner.
Weißenstein erlangte als Wallfahrtsort bald allgemeine Bekanntheit und Beliebtheit. Schon 1582 vermachte, die Frau des Schmiedes bei der Welschmühl '/3 ihres Geldes der Kapelle in Weißenstein.
Um 1600 schrieb Marx Sit-tich von Wolkenstein in seiner Landesbeschreibung, daß an jenem Ort große Wallfahrten und Wunder geschehen.
In der Zeit der Kirchensperrungen und Klosteraufhebungen Kaiser Josephs II. wurde auch das 1720 gegründete Kloster der Serviten zu Weißenstein aufgehoben. Anfang Juni des Jahres 1787 wurde dem Kloster das Auflösungsdekret zugestellt. Man war nun bestrebt, das Gnadenbild unbedingt in einer anderen Kirche der Verehrung der Gläubigen zugänglich zu erhalten. Darum bewarben sich Deutschnofen, Petersberg, Leifers, Branzoll, Auer und sogar die Gratlkirche im Viertl Unterkreut in Terlan. Laut Dekret des Landesguberniums in Innsbruck vom 7. Juli 1787, Nr. 746, wurde Leifers gewählt, doch sollte das Gnadenbild in aller Stille übertragen und auf einem Seitenaltar ausgesetzt werden. Der Kurat von Leifers, Johann von Kolb, brachte das Gnadenbild heimlich in der Nacht vom 12. auf den 13.Juli 1787 nach Leifers. Bald strömten auch nach Leifers zahlreiche Pilger.
In den Jahren darauf wurde von den Behörden die Überführung der Alabasterpieta´ vom Seitenaltar auf den Hochaltar genehmigt. Die Feierlichkeiten zogen sich über drei Tage hin, den 24., 25. und 26. Juni 1791. Gläubige aus dem ganzen Land strömten herbei. Die feierliche Prozession vom 26. Juni 1791 wurde in einem großen Ölbild, wahrscheinlich von Joseph Anton Kuseth, festgehalten.
Dieses große Ölgemälde von 1791 ist sowohl wegen der ausführlichen und detaillierten Darstellung des Dorfes als auch wegen der ausführlichen Inschrift eine wichtige Quelle zur Dorfgeschichte.
Die Inschrift lautet: wahre Beschreibung derYbersetzungs Feverlicbkeit Des Allgemeinen und Ungemeinen schmerzhaften Gnaden Bild Maria Von Weißenstein, so im Jahre 1533 zu Weißenstein Von einem Baursmann Leonhard mit namen Erfunden, sodann von dem Hochwirdigsten Fürsten und Herrn Karl von Madruzzo Biscbofen zu Tiient als ein wahres Gnadenbild Bestätiget, sofort bis auf den 11. Juli 1787 zu Weißenstein unter der Obsorg der Wohl Ebrwirdigen P P Serviten mit Willen und Wunder und Gutthaten immer Leichtet.
Unter der glorwirdigsten Regierung Sr. K. K A. Maytt. etc. etc. Josef des zweiten Wurde nach aufgelöstem Serviten Kloster zu Weißenstein die Seelsorgkircbe zu Leifers mit solchem Gnadenbild Allergnädigst beschenkst, auch dieses am 12. Juli 1787 Wirklich Von dem HE. Seelsorgerjobann Nepomuk Von Kolb anhero gebracht und sogleich zur Verehrung ausgesetzet.
Unterm 9. Xber 1790.- bat hienach das hochwirdigste Ordinariat Von Tilent Gnädigst Verwilliget, daß solches Gnaden Bild auf dem Hocbaltarybersezet Werden soll und Könne.
Von solchen Augenblick an War man Bescbäftiget Diese Seelsorgskirche nebst den Hochaltar zu Verherrlichen und da mann Bereits Meistentheils biemitfertig Ware, So Wurde Auf den 24. 25. und 26. Juni 1791 diese Ybersetzungsfeyerlicbkeitfeyerlichst Begangen, auch am letzten Tag der Einzug mit Vorstehender Prozession in Gegenwart Viller 1000fremden und Von Weiten Otiben Hergeeilten Persohnen Celebiieret.
Weswegen alda mit Buchstaben die Ansebnlichsten Vorgemerket werden: A. Der Senior der Gemeinde Leifers Mathies Hueberflascher. B. DieKirchen und Kreuzfahnen. C. Die Schulmägden. D. Die Scbulknaben. E. Die Jungfrauen. F. Die Jünglinge. G. Die Verehelichten. H. Der herr Anwald zu Leifers Johann Fulterer, Burger. I. Die Schützen Compagnie dem Löbl. Baurnstand von Bozen Rentscb und Leitacb unter anfübrung ihres Haubtmann Herr Joseph Lun, Schwar, auch andere Herren Officieren, mit fliegenden Fahnen und Klingenten Spiel als.- 1. Herr Joseph LunSchwar, Haubtmann, 2. Herr Joseph Pfeifer Gummer im Dorf Oberleutnant, 3. Herr Johann Lärcher, Oswalder Unterleutnant, 4. Herr Franz Rottensteiner, fähndrig, 5. u. 6. Herr Peter V. Larcber zu Rentsch und Joseph Tuzer, Stillersohn fabnenkadett. 7. Peter Zelger, diem, am hoben Weg,Wachtmeister 8. Johann Puecher, Reiter bei St. Johannes. 9. Antoni Oberkofler, Reifegger. 10. Johann Gadner, Riser auf der Welschen. 11. Joseph Gallmezer, Herr V. Zennischer schaffer. 12. Johann Zelger, Waldhuter. 13. Anton Egger, Grandl zu Rentsch. 14. Veit Tuzer zu Rentsch, 15. Mathies Tuzer, Mauracher. 16. Franz Egger, Huck zu Bozen. 1 7. Joseph Egger, Oberfalser zu Rentsch Korporallen. 18. Herr Joseph Lun, des HerrnHaubtmanns Sohn, Quartiermeister. 19. Balthauser Schlechtleitner, Freiberger als fourier. 20. die Fabnenwacbt zu Leifers. Anzahl der Scbutzen 148 Mann, Welicbe anstadt Versprochenen K K. Militär aufgezochen. K Die berrn Musicanten. L. Das gnaden Bild Von den Herrn Petrinern getragen. M. 2 baurn Von der gemeinde Leifers. 2 Pater Kapuziner und 2 Pater Franziskaner Von Bozen mit brennenden Tarzen. N. Der Vogtherrliche Vertretter, der. gnä. Herr Joseph Dominicus von Ampach und Herr Jojann Mairhauser. 0. dieHerrn Söhne des Titl. gnä. Herrn V. Ampach mit brinnenden Kerzen und der Sohn des Herrn Kuseth von den Herrn Joseph Kuseth und Herrn Joseph Reinisch begleitet. P. die Hochwirdige Geistlichkeit. Q. der Hochwirdigste, Hocbgebohrne Herr Josepb Des H.R.R. Graf von Sarnthein Infuliertien Propst, Decanus foraneus zu Bozen, yber welchen Von Herrn Kirchpropst Tschuegg die rote umbrell getragen Wird. R. die 2. Abtheillungder Vorgedacbten schüzen Compagnien. S. Das Volk. T die Seelsorgskircbe zu Leifers. V das grobe Geschize.
Über die Darstellung der Prozession ist wenig zu bemerken, da in der Inschrift das Wesentliche schon gesagt ist.
Immerhin kann man aus ihr entnehmen, daß das k. k. Militär seine Teilnahme zur Verherrlichung des Festes zugesagt und später diese Zusage zurückgezogen habe.
Die Absage des Militärs scheint aber in bäuerlichen Kreisen Erbitterung hervorgerufen und die selbstbewußten Bozner und Rentscher Bauern veranlaßt zu haben, grad extra« alle ihre Schützenkompanien zur prächtigen Gestaltung des Festes aufzubieten, um zu zeigen, daß es auch ohne Militär gehe.
Im Großhaus mag sich die vornehme Welt von Bozen eingefunden haben, sämtliche Fenster sind mit feingeputzten Herren und Damen in weißgepuderter Perücke besetzt, auch aus allen anderen Gebäuden blicken Neugierige auf die vorüberziehende Prozession.
Ein großer Herr scheint der in der Inschrift unter N. genannte Vogtherrliche Vertreter. Josef Dominikus von Ampach gewesen zu sein, denn er schreitet nicht im Zuge mit, sondern läßt, nördlich des Großhausgebäudes stehend, mit seinem Begleiter johann Maierhauser die Prozession an sich vorüberziehen, als ob die ganze Festlichkeit ihm zu Ehren, als Vertreter der Obrigkeit, stattfinden würde.
Die Bozner und Rentscher Schützen sind in langem, braunem Rock, rotem Leibl und dunklen Kniehosen abgebildet; sie tragen graue Strümpfe, Halbschuhe und dunklen, breitkrämpigen, mit Blumen geschmückten Hut.
Die Leiferer Bürger gehen in langem, braunem Rock, rotem Leibl, dunklen Kniehosen mit Knieband und weißen Strümpfen; der flache Hut hat drei Tschaggelen.
Die Frauentracht ist derart einheitlich, daß keine Unterschiede zu ermitteln sind; dunkler Rock, rotes Mieder, weißer, langer Schurz und weißes Hemd mit halblangen Puffärmeln sind weitaus vorherrschend.
Die hohe Geistlichkeit schreitet unter der »roten Umbrell« mit weißgepudertem Kopf und Zopf, wie es damals für Personen von Stand und Rang üblich war, ebenso die unter R. genannten Musikanten, welche wahrscheinlich aus Bozen erbeten waren, um das Fest zu verschönern. Im Umzuge kann man fünfzehn große Kirchenfahnen zählen, ein Beweis, daß sich auch viele benachbarte Gemeinden an der Festlichkeit beteiligten.
Dieses große, drei Tage andauernde Fest, die zahlreiche Teilnahme seitens der Bevölkerung und nicht minder die großen Aufwendungen, die dafür gemacht wurden, lassen deutlich den hohen, religiösen Geist, der in der damaligen Zeit die Menschen beherrschte, und das kindliche Vertrauen, das allseits der Gnadenmutter von Weißenstein entgegengebracht wurde, erkennen.
Seitdem wurde jährlich zu St. Vigili (26. Juni) eine feierliche Prozession gehalten. Besonders festlich war die Prozession 1837 anläßlich der Fünfzigjahrfeier der Überführung des Gnadenbildes nach Leifers.
Als 1836 das Kloster in Maria Weißenstein wieder besetzt wurde, gab es von dort alsbald wieder Bestrebungen, das Gnadenbild zurückzuführen. Das Landesgubernium in Innsbruck und das Bischöfliche Ordinariat in Trient forderten die Gemeinde und die Kirche in Leifers 1846 auf, das Gnadenbild zurückzuerstatten; dafür wurde ihnen die in Weißenstein sich befindliche Kopie des Gnadenbildes angeboten. Am 12. jänner 1847 fuhren die Dorfdeputierten Curzel, Gentili und Gerber zum Bischof nach Trient, um der Rückführung zuzustimmen. Doch die Leiferer wehrten sich verbittert dagegen; der Kurat rief von der Kanzel dazu auf, die Rückführung nicht zuzulassen. Als Strafe wurde ihm vom Bischöflichen Ordinariat die Versetzung nach Kardaun angedroht.
1887 wurde die Säkularfeier der Überführung mit großem Aufwand gefeiert, die alljährliche Prozession am 26. Juni war besonders stark besucht und feierlich.
Bei der Hundertjahrfeier der Übertragung des Gnadenbildes von Weißenstein sollen 7000 Pilger von allen Landesteilen mit Sonderzügen und mit unzähligen Privatfuhrwerken nach Leifers gekommen sein. Drei Tage lang wurde gefeiert, Freitag, den 24., Samstag, den 25-, Sonntag, den 26. Juni 1887. Das ganze Dorf war von einem Dutzend Triumphbogen geschmeckt und reichlich beflaggt. Bereits am Vorabend traf Fürstbischof Valussi aus Trient ein und wurde beim größten Triumphbogen beim Dorfeingang auf der Landstraße beim Gentilihaus (Gutleben) von der Dorfprominenz empfangen. Unter den schneidigen Klängen der Musikkapelle und Parade der Feuerwehr wurde er zur Kirche begleitet. Am nächsten Morgen besorgte die Kapelle um vier Uhr früh den musikalischen Weckruf durch die Dorfgassen. Zu Mittag gab die Kapelle Tafelmusik beim Kölblwirt (später zur Post) und beim Gasthof Großhaus. Am Abend wurden vor eben diesen Gasthöfen Platzkonzerte gegeben. So ging es über Freitag und Samstag hin. Beim Hauptgottesdienst am Sonntag vormittag hielt Prof. Archangelus Simeoner 0.F.M., bekannt als der Verfasser der "Geschichte der Stadt Bozen", die Festpredigt und erklärte dabei die Geschichte des Gnadenbildes. Der eigentliche Höhepunkt der Feier war die große Prozession am Sonntag um vier Uhr nachmittags Gegen drei Uhr nachmittag traf der lange Sonderzug von Bozen kommend in der Haltestelle von Leifers ein. Die Pilger wurden unter den Klängen der Musikkapelle Gries und Girlan ins Dorf begleitet. Zur Beschreibung der Prozession selbst soll der Chronist der Bozner Zeitung vom 27. Juni 1887 zu Wort kommen:
Die Jubiläumsfeier in Leifers, welche gestern, Sonntag, mit der nachmittägigen großen Prozession ihren Abscbluß fand, war von günstiger Witterung begleitet und gestaltete sich großartig. Die Beteiligung an derselben war eine kolossale. Nach uns zugekommenen näheren Daten haben dem Feste cirka 7000 Menschen beigewohnt, wovon 5000 aus Bozen allein gerechnet werden können; an den hiesigen Bahnkassen gelangten mehr als 4000 Fahrkarten zur Ausgabe; außerdem zählte man in Leifers über hundert Privatwagen, darunter auch mehrere Gesellschaftswagen. An der Prozession, welche nachmittags vier Uhr stattfand, beteiligten sich seine kaiserlicbe Hoheit Herr Herzog Heinrich und Frau Baronin von Waideck, die Gemeindevertretung von Leifers, die Orts-Feuerwehr mit ihrer Musikkapelle in vollster Parade, die Musikkapellen von Gries, Lengmoos, Auer und Girlan, die Schulen von Leifers und St. Jakob, Mädchen von der Seidenspinnerei etc., etc. Wir behaltenuns einen ausführlichen Bericht über das Fest für morgen vor und bemerken nur noch, daß dasselbe einigen günstigen Verlauf nahm. Das Feuerwerk, die Bergfeuer sowie die Illumination im Orte selbst machten einen effektvollen Eindruck. "
Einen ausführlichen Bericht der Feierlichkeiten brachte das Tiroler Volksblatt vom 28. Juni 1887. Dieselbe Zeitung brachte im selben Jahr einen Bericht in zwei Teilen über die Geschichte des Gnadenbildes in Nr. 42 und 43.

Das Dorf Leifers nach der Darstellung des Prozessionsbildes von 1791

In diesem Bild sehen wir einen Ausschnitt des Dorfes, der wie folgt begrenzt ist: im Osten von den Höhen des Breiten- und Franzensberges, im Süden vom Kölbl- und Stampflhof, im Westen von der alten Landstraße vom Großhaus zum alten Dorf und im Norden vom Reinisch.
Den hell erleuchteten Hintergrund bildet das Brantental mit den Konturen von Weißenstein. Neben dem Peterköfele sieht man den Mausegger, den Mayrhof und darüber Puecha und Gschlößler. Der Kirchhügel von Peterköfele wie auch der gegenüberliegende Gampnerknott sind von einer Gruppe von Leuten belebt. Auf letzterem Hügel werden Böller geschossen (V = das grobe Geschize).
Die Kuratiekirche sehen wir hier noch in der Form vor der Erweiterung von 1852. Links von der Kirche stehen die beiden Kirchenhäuser, welche erst nach dem Zweiten Weltkrieg abgebrochen wurden. Gleich rechts neben der Kirche steht das alte Widum mit seiner langgezogenen Stiege an der Südfassade.
Etwas rechts und talseitig steht das sogenannte Doktorhäusl, welches seinen Namen davon hat, daß darin der Arzt, früher Wundarzt genannt, seine Wohnung hatte. In diesem Gebäude war bis um 1840 auch die Schule untergebracht. Damals wurde das neue Schulhaus, gegenüber vom heutigen Widum, erbaut. Das sogenannte Doktorhäusl wurde um 1930 abgebrochen,um den nötigen Vorplatz vor dem neuen Gemeinderathaus zu erhalten. 1845 mußte der Kirchplatz erweitert werden, um die ins Auge gefaßte Vergrößerung der Kirche zu ermöglichen. Der Kurat von Branzoll, Anton von Ferrari, gab dem Stadtmagistrat 30 Stück Napoleonsdorfür den Ankauf des nötigen Grundes, um den Kirchplatz um ca. 200 Quadratklafter (= ca. 720 m2) zu erweitern. Man brauchte dazu Kulturgrund des Jakob Erlacher, Kirchenhäusler und Franz Gerber. Der städtische Bauaufseher Vogl machte sogleich einen Plan. Erlacher mußte 68 und Gerber 131 Klafter abgeben. Erlacher erhielt dafür einen öden Grund beim Eckhäusl. Die Gesamtkosten für Grundankauf und Umfriedung waren 484 Gulden, die Spende des Kuraten Ferrari machte 276 Gulden aus. Den Restbetrag übernahm die Gemeinde. Das alte schmiedeeiserne Gitter des Presbyteriums wurde damals als Eingangstür zum Friedhof verwendet. Das Presbyterium erhielt ein neues aus Stein.
Das große Haus unter Peterköfele ist der Stampflhof; die beiden kleineren Bauten zwischen Doktorhäusl und Stampfl gehören zum Thurner an der heutigen Kreuzung.
Diese ist hier nicht ersichtlich, weil die heutige Hauptstraße zwischen Großhaus quer durchs Dorf nach Süden erst 50 Jahre später gebaut worden ist. Bis dahin führte die Reichsstraße vom Großhaus rechts hinunter ins alte Dorf, vorbei am Kölblwirtshaus, welches hier ganz rechts auf dem Bild zu sehen ist. Der große Torbogen, durch welchen die Fuhrleute in den Innenhof des Gasthauses fuhren, um dort die Fuhrwerke abzustellen, die Pferde in die Stallungen zu führen, sich dann in der Gaststube im ersten Stock zu stärken und auf einem Strohsack zu übernachten, besteht heute noch.
Das große Haus neben dem Kölbl kann der Gassmann oder das Thurnhaus sein; von der Lage in bezug auf die herumführende Prozession her der erstere, von der Größe des Gebäudes her das letztere. Der rechts hinter dem Haus stehende Bildstock steht heute noch (neben Bp. 32/4).
In diesem Bereich zwischen Thurnhaus und Großhaus fehlen auf dem Bild mehrere Häuser, so das Neidhäusl, das Struzerhaus, das Ochsenfußhaus, der Hafner, der Flascherhof. Lediglich ein Stadel schließt sich an den Gassmann und bildet zur Straße hin einen Platz, an dessen linkem Rand ein Dorfbrunnen steht.
Vom Gassmann bis zum Großhaus hin säumt eine Mauer die Straße. Durch diese Mauer führen zwei Tore in die dahinterliegende Gassmannleiten. Überhaupt sind die Leiten auf diesem Bild meist mit Mauern umfriedet, so z. B. je-ne des Kirchenhauses. Zum Gietl au der Saag heißt es schon 1586: Haus, Stall, Mübl und Stampf und Gäril sind alle mit einem Mäurl umfangen. Auffallend ist auch, daß das Dorf durchwegs mit Weinbergen durchsetzt ist.
Das Großhaus hat noch heute im wesentlichen dasselbe Aussehen, nur der rechte Torbogen wurde verbaut, und über dem Zubau rechts vom Haus wurde eine Terrasse errichtet. Auf dem Platz vor dem Gasthof steht ein großer steinerner Brunnen, der beim Bau der Endstation der Trambahn 1931 abgebrochen wurde.
Links an das Großhaus schließen sich Stall und Stadel an. In einer nach Norden anschließenden Mauernische ist ein Bildstöckl zu sehen.


Verfasst von Georg Tengler und veröffentlicht im Buche "Leifers-vom Dorf bis zur Stadt" im Jahre 1998© by Raiffeisenkasse Leifers

 

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